Karl Duncker unternahm 1935 als erster Wissenschaftler den Versuch, sich Problemen über einen differenztheoretischen Ansatz zu nähern. »Ein Problem entsteht z.B. dann, wenn ein Lebewesen ein Ziel hat und nicht weiß, wie es dieses Ziel erreichen soll. Wo immer der gegebene Zustand sich nicht durch bloßes Handeln (Ausführen selbstverständlicher Operationen) in den erstrebten Zustand überführen lässt, wird das Denken auf den Plan gerufen. Ihm liegt es ob, ein vermittelndes Handeln allererst zu konzipieren.«1 1956 unterteilte McCarthy Probleme in »well-defined« (geschlossene) und »ill-defined« (offen). Die Abgrenzung vom »well-defined-problem«, bei dem lediglich die Operatoren unklar sind, zum »Ill-defined-problem«, bei dem sowohl Operatoren, Ziel als auch Ausgangszustand unklar sind, markiert einen Meilenstein in der Komplexitätsdifferenzierung von Problemen, an dem Dörner über 30 Jahre später in den 80er Jahren anknüpfte. Bis dahin erfuhr die Problemforschung in den 70er Jahren eine Hochzeit. Im Zuge der Euphorie der aufkommenden computergetützten Informationsverarbeitung beschäftigen sich in erster Linie Mathematiker mit Problemlösungsforschung. Mit Hilfe von Großrechnern waren komplexe Berechnungen innerhalb kürzester Zeit möglich und erlaubten so neue Erkenntnisse über zuvor scheinbar unlösbare mathematische Probleme. Ein Pionier auf dem Gebiet war George Pólya, ungarischer Mathematiker und Experte auf dem Gebiet der Stochastik, Kombinatorik und Zahlentheorie. Sein Werk »Lösen mathematischer Probleme« zählt heute zur Standardliteratur.2 Desweiteren haben sich Allen Newell und Herbert Simon auf dem Gebiet verdient gemacht, indem sie die Problemtheorie um den Begriff des Problemraums erweiterten. Sie definieren den Problemraum als den »Bereich, in dem eine angemessene Lösung gefunden werden kann«3. Der Problemraum umfasst die Gesamtheit aller möglichen Zustände des Problems, die bei der Bearbeitung des Problems auftreten können. Der Problemraum besteht unabhängig von dem Bereich, den die Akteure in dessen Inneren zu einer möglichen Behandlung in Betracht ziehen, dem sogenannten Suchraum4. Desweiteren unternahmen sie den Versuch der Analogiebildung zwischen Computersystemen und der menschlichen Kognition, um über künstliche Intelligenz neue Lösungsstrategien für zumeist alte Probleme zu finden.
Der Vollständigkeit halber müssen in dieser Reihe noch weitere Wissenschaftler genannt werden, die sich um die klassische Problemforschung verdient gemacht haben. Greeno unterteilte Probleme in »Transformationsprobleme«, »Induktionsprobleme« und »Neuordnungsprobleme« während Chi, Glaser und Rees »semantisch reiche« von »semantisch armen« Problemen abgrenzten. Diese Studien sind allerdings trotz ihrer großen Bedeutung für die Problemforschung für die erste Untersuchung von ungeheuren Formen von geringem Interesse.
Dagegen sind die Arbeiten Dörners von größtem Interesse. Dörner schlüsselte die Beschaffenheit der Problemelemente in einer Matrix auf und traf auf diesem Weg eine Aussage über die Beschaffenheit der Differenz. Dazu untersuchte er das Verhältnis vom Operatoren und Zielzustand hinsichtlich der jeweiligen Bekanntheit und unterteilte McCarthys »geschlossene Probleme« in »Interpolations-« und »Synthesebarriere« und dessen »offenen Probleme« in »dialektische Barriere» und »dialektische Synthesebarriere«5.
Designforschung
Die Designforschung ist ein vergleichsweise junger Forschungszweig. Neben der Frage, ob Design beziehungsweise Gestaltung überhaupt einen eigenständigen Forschungsbegriff zu bestimmen vermag, unternimmt sie den kühnen Versuch, die Tragweite gestalterischer Tätigkeiten zu erfassen. Dabei benennt Christopher Frayling drei große Bereiche: »Research into Design«, »Research for Design« und »Research through Design«. »Research into Design«6 bedeutet die Archivierung und Aufarbeitung gestalterischer Produktionen sowie deren Einordnung in die Philosophie, Geschichts-, Gesellschafts- und Kulturwissenschaften. »Research for Design« beschäftigt sich mit der Erfassung und Entwicklung gestalterischer Methoden, um daraus einen unterstützenden Beitrag für den praktischen Gestaltungsprozess zu generieren. Die Eigenart der Designforschung zeigt sich erst im dritten Bereich. »Research through Design« beschreibt die Verschmelzung von Forschung und Design, Handlung und Reflexion und nicht zuletzt von Theorie und Praxis. Der Designprozess wird zur Forschungsmethode. Entgegen einem tradierten Forschungsverständnis, bei dem es darum geht den Anschein von Objektivität zu wahren, um das Ergebnis nicht zu verfälschen, geht es bei »Research through Design« gerade um den konkreten Eingriff in den Gegenstand der Untersuchung, um ihm auf diese Weise Erkenntnisse abzuringen. Der Forscher ist eigens in den Prozess und das Ergebnis involviert. Das ermöglicht ihm das Begreifen von Zusammenhängen und das Herantasten an Unschärfen, die sich aufgrund ihrer Beschaffenheit einer konventionellen Untersuchung entziehen würden.
Dieser Ansatz steht im klaren Kontrast zur ebenso erkennbaren Bestrebung, Design im etablierten Kanon klassischer Wissenschaften Anerkennung zu verschaffen. Eine entsprechende Unterordnung wäre nicht sonderlich tragisch, wäre die Designforschung nicht gerade im Begriff, sich ein eigenständiges Wissenschaftsverständnis zu erarbeiten, welches traditionelle Wissenschaften methodisch erweitert. »Anstatt sich auf eigene und womöglich sehr spezifische Kompetenzen und Eigenheiten zu berufen, bemüht man sich in tradierte und deshalb vermeintlich […] akademische Begrifflichkeiten einzuschmeicheln.«7
Es scheint, als ob die Anerkennung von Gestaltung seitens der klassischen Wissenschaftsdisziplinen bis dato nur mit einer dementsprechenden Selbstdisziplinierung einhergeht, die den Ansatz des »Research through Design« ausschließt. Design als Wissenschaft versucht sich durch die Unterordnung unter tradierte Konventionen klassischer Wissenschaften, Anerkennung zu verschaffen, ohne dabei zu bemerken, dass durch diese Integration, das eigenständige Merkmal der Gestaltung über Bord geworfen wird.
Nichtsdestotrotz ist eine Forschungsrichtung des Design aktuell damit beschäftigt, unter dem Schlagwort »Design Thinking« das prozessorientierte Vorgehen von Gestaltern als innovativ und hilfreich in Bezug auf komplexe und unscharfe Problemkonstellationen herauszuarbeiten. Gestaltern wird hier die Rolle zuteil durch rekursiv-reflektierendes Wahrnehmen, bewusstes Selektieren und prototypisches Handeln, einen sinnstiftenden Beitrag an den Stellen zu leisten, wo konventionelle Lösungsverfahren an Ihre Grenzen stoßen. Allem Anschein nach ist es eine besondere gestalterspezifische Kompetenz, trotz Unschärfe und Intransparenzen im Untersuchungsraum mittels induktiver Erkenntnisgewinne auch unter turbulentesten Voraussetzungen zum einen selbst anschlussfähig zu bleiben und zum anderen Anschlussfähigkeit für andere zu generieren.